In den letzten 4 Jahren war ich immer bei ihm im Krankenhaus, von Morgens bis Abends (er ist immer noch Raucher und manchmal glaube ich, dass die Sucht das einzige ist, was ihn immer wieder auf die Beine bringt)so dass ich mit ihm rausgehen konnte, ihn zur Toilette bringen etc...er hatte schon immer den Drang, aus den Krankenzimmern zu "flüchten" um sich dann ganz friedlich auf dem Flur oder in irgendeinem Behandlungsraum niederzulassen...immer ganz friedlich (mental)...und sich auch schon mal, im Halbschlaf oder wenn er es nicht mehr im Bett aushielt, die Katheter und Zugänge selbst zu ziehen - die Schwestern und Pfleger hatten nie irgendwelche Schwierigkeiten ihn wieder in sein Bett zu bringen und ihn zu behandeln...er meinte es ja nicht böse...leider Gottes, ist aus dieser "Marotte" diesmal ein Horrortrip geworden...obwohl er körperlich eigentlich überhaupt nicht mehr in der Lage ist (Luftnot, gebrochene Wirbel, keine Luft, schwaches Herz)...und er reichlich Mittel bekommen hat (Morphium, Schlaftropfen, Decentan) die ein Pferd lahm legen würden, hat irgendwas in seinem Hirn umgeschaltet - er hat immer gerne sein Mittagsschläfchen gehalten und hat auch zu Hause nie Schlafschwierigkeiten. aber nun ist er schon gleich am ersten Tag im Krankenhaus sehr ärgerlich geworden, irgendwas in seinem Kopf - das konnte ich sehen - hat ihm "verboten" einzuschlafen...obwohl er Schlaf dringend braucht , obwohl er da noch wußte, dass es nur ein paar Tage dauern wird damit man ihm die richtige Dosis Schmerzmittel geben kann - hat mich nur noch akzeptiert weil ich mit ihm Rauchen ging...und dann vor 3 Tagen der Supergau...
In der Nacht hat er sich nicht nur einen Blasenkatheter gezogen (und dabei viel Blut verloren) sondern auch alle Zugänge UND seine PEG und ist dann innerhalb von Sekunden aus seinem gesicherten Bett verschwunden, und raus in den umgebenen Wald...wo ihn dann die Schwestern und die Polizei, die sofort gerufen wurde, gefunden haben...er hatte keine Ahnung wo er hinwollte, oder wo er ist, oder was die Leute von ihm wollen...er wollte nur einfach weg...(obwohl ich gar nicht weiß, ob man da von Wollen sprechen kann)...Am nächsten Tag hat er sich an nichts erinnert...und hat dann fast 2 Tage und 2 Nächte geschlafen...er hat in dieser Nacht Energie verbraucht, die er nie hatte und nie wieder auffüllen kann...seinen ganzen Körper hat das furchtbar mitgenommen...er konnte ja kaum mehr zur Toilette gehen...aber er hat offenbar nichts gespürt...keinen Schmerz, keine Angst, keine Gedanken ...wie ein Berserker...nun ist er zwar aufgewacht (dass er das überlebt hat, ist sowieso schon ein Wunder)...aber völlig...wie soll ich das sagen...heute Morgen ganz früh, war er gut drauf, hat sich gewundert, warum ihm alle Knochen wehtun und warum er so schlapp ist...aber im Laufe des Tages (wieder dieser Kampf gegen den Schlaf) baute er mental total ab...d.h. er hat nie viel geredet...aber heute quatschte er nur und viel...über allehand Sachen, die er noch erledigen muss, wollte permanent raus und wußte gar nicht, dass er im Krankenhaus ist......Termine, Behördengänge, Rechnungen bezahlen, Wohnungen besichtigen, etc (das hat er noch nie gemacht, um solche Sachen haben sich immer meine Mutter und ich gekümmert, auch schon als er noch top fit und gesund war) - und gegen 18 Uhr fragte er mich dann, wer ich wäre...ich nehme das nicht persönlich, ich weiß, dass er krank ist...und der Arzt sagte uns, (meiner Mutter und mir...die das doch sehr persönlich nimmt ) nachdem er meinem Vater noch ein beruhigungsmittel verpasst hat , dass mein Vater (wie viele ältere Männer, die ihr Leben lang nicht über ihre Gefühle nachgedacht haben) an einem Krankenhauskoller/Übergangssyndrom leidet...statt zu weinen oder wieder aggressiv zu werden hat sich sein Bewußtsein nun in eine andere Späre verzogen...aber sollte er es noch mal schaffen (obwohl die Schwestern und alles Personal auf Rotalarm ist) sich auch nur aus dem Bett zu bewegen...dann würde das vermutlich sein Herz aber ganz bestimmt seine Lunge nicht noch mal bewältigen können...allerdings könnten sie ihn auch nicht (zu seiner eigenen Sicherheit) soweit mit "Drogen" vollpumpen, damit er tatsächlich ruhig gestellt ist...auch das würde das Herz, aber gerade auch die Lunge nicht mitmachen...ich bin verzweifelt...gerade weil meine Mutter und der Rest der Familie ständig irgendwelche Ausreden aus dem Hut zaubert, warum sie nicht mal zumindestens eine Tageswache übernehmen können..allerdings wollen sie auch nicht mal darüber nachdenken, dass mein Vater seit nun mehr 7 Jahren (nach Lungenop) eigentlich langsam aber stetig verstirbt - so nach dem Motto "Ach, der hat schon viel schlimmeres überlebt"...oder aber sich, wie meine Mutter, in furchtbare Jammerei und Selbstmitleid verschanzen...aber sie will nicht mal darüber nachdenken, wenigstens einen ambulanten Pflegedienst für meinen Vater ins Haus kommen zu lassen...nicht mal, jetzt, wo gar nicht klar ist, ob er aus diesem "Trip" jemals wieder rauskommt...
Ich bin völlig verwirrt...manchmal wünsche ich meinem Vater, dass dieser lange Horrortrip endlich ein Ende hat...dass er einfach einschläft...ohne Angst, ohne Schmerzen - aber das wird nicht passieren...wenn er jetzt wieder zum "Berserker" wird dann wird er sich Knochen brechen, sich noch viel schlimmer verletzten und dann vermutlich auch wieder im Kopf klar werden...so dass er dann die nächsten Jahre mit noch mehr Schmerzen, mit noch mehr Einschränkungen, mit noch mehr Krankenhaus zurechtkommen muss...
Keine Ahnung, was ich eigentlich von diesem Forum will...vermutlich nur mal erzählen und jammern...ich verstehe das alles nicht mehr...Ich weiß, dass mein Vater ein echtes Scheiß leben hatte...und jetzt muss er das auch noch alles einstecken...die Ärzte und Schwestern labern mich seit Jahren voll, von wegen "Gehen sie mal nach Hause, wir kümmern uns um ihren Vater...sie können nichts tun..." und dann komme ich am Morgen wieder und muss hören, dass er dies und das noch zusätzlich hat...weil er...blah, blah, blah...und dann auch noch das ständige Gejammere meiner Mutter...keinem geht es schlechter als ihr, sie kann das und dies nicht, ...sie weigert sich aber auch den Ärzten eine klare Anweisung zu geben,für den Fall dass...das heißt, die sind gezwungen auch im aussichtslosesten Fall meinen Vater am "Leben" zu halten...sie will diese Entscheidung nicht treffen...sie will, dass sie ihn soweit wieder herstellen, dass alles so ist wie vorher...dass er wieder nach Hause kommt, sich weitesgehend alleine versorgt (bis auf Medikamente und PEG Nahrung musste sie bisher nichts tun) etc...das geht aber nicht...
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