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Probleme in der häuslichen Versorgung

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  • Probleme in der häuslichen Versorgung

    Liebe Mitleser,
    heute morgen muss ich Euch eine Geschichte erzählen. Ich brauche hier eigentlich keinen Rat, aber ich möchte doch die Geschichte loswerden, zur Belustigung des einen oder anderen, aber auch um aufzuzeigen, mit welchen Problemen man sich in der Pflege bzw. im häuslichen Bereich so rumschlägt. Vielleicht entsteht durch so etwas beim einen oder anderen auch ein wenig mehr Verständnis für uns.

    Also: ich (selbstständige Wundmanagerin) habe seit geraumer Zeit einen Patienten. Der Patient ist 85 Jahre alt, Diabetiker (nicht insulinpflichtig), Z.n Schenkelhalsfraktur, Adipositas, mehrere Ulcera an den Beinen Diabetischer Fuß, kein AVK. Von Beruf war der Gute Geschäftsmann mit (nach eigenen Angaben)1000 Mitarbeitern. Immer dabei, seine Ehefrau, von Beruf Hausdrachen.

    Also die Geschichte begann vor etwa einem Jahr. Der Patient stürzt in der Wohnung, liegt im Flur und kann nicht aufstehen. Er lag noch mitten in einem Türdurchgang. Die Frau möchte den Hausarzt rufen. Der Mann weigert sich, droht seiner Frau. Zwei Stunden später ruft diese doch den Hausarzt an, Hausarzt kommt, will eine Einweisung schreiben, Mann flippt aus, beschimpft den Arzt. Er möchte ein Schmerzmittel gespritzt haben, dann stünde er schon selbst auf. Nach längerem guten Zureden wird es dem Arzt zu doof, er spritzt dem Mann ein Schmerzmittel, geht, legt der Frau eine Einweisung fürs KH und einen Transportschein auf den Tisch, sagt ihr, sie solle einfach einen Krankenwagen rufen, wenn er in zwei Stunden noch liegt.

    Drei Tage später(!) ruft die Frau wieder bei dem Arzt an und fragt, was sie machen soll, der Mann liegt immer noch da. Also der Arzt wieder hin, hat mit dem Patienten gesprochen, der ist immer noch uneinsichtig. Es wird trotzdem ein Krankenwagen gerufen, der Mann will nicht mit. Also Anruf beim Gericht, Zwangseinweisung. Der Mann hatte eine Schenkelhalsfraktur, er hätte also niemals selbst aufstehen können.

    Nach der Krankenhausbehandlung wird der Mann in ein örtliches Seniorenheim verlegt. Von dort aus macht er alles mobil, was geht, um wieder nach Hause zu kommen. Es wurde festgestellt, dass er keinen Betreuer mehr braucht, also hat er sich dort selbst entlassen. Zum Entsetzen seiner Frau. Also kommt der Pflegedienst zweimal wöchentlich zum Baden. Zwar kann sich der Mann auch sonst nicht versorgen, aber beide akzeptieren keine tägliche Versorgung, weil man ihnen sonst die Lebensqualität nehmen würde (sagen sie).

    Mittlerweile bekam der Mann eben an beiden Beinen massive Ulcera. Der eine große Zeh sieht aus, als hätte jemand daran rumgekaut. Und hier kommt der Hund ins Spiel:

    Also der versorgende Pflegedienst hat die Wunden nach bestem Wissen und Gewissen versorgt. Allerdings wenn die Kollegin nach drei Tagen wieder kam, waren alle Verbände weg und die Wunden sahen katastrophal aus. Es stellte sich heraus, dass der Mann keine Verbände mag, diese entfernt hat und der Hund dann tagsüber häufiger mal die Wunden ausgeleckt hat. Die Krankenkasse bekam immer neue Anforderungen über Verbandswechsel und Material, die sie scheinbar nicht nachvollziehen konnten und schickten ihren Pflegeexperten hin. Den traf dann fast der Schlag, als er die Wunden sah, die Situation mit dem Hund und - natürlich - die Geruchssituation.

    Hier kam ich jetzt ins Spiel. Der Pflegeexperte rief mich an, ob ich mir nicht die Wunden ansehen könnte und den Pflegedienst in seiner Arbeit unterstützen könnte. Also habe ich bei den Leuten angerufen und um einen Termin gebeten. Nach endlosen Diskussionen bekam ich den auch.Es zeigten sich eigentlich gar nicht so schlimme Wunden, man musste reichlich Beläge abtragen (was natürlich das Geruchsproblem sofort erst mal drastisch reduzierte) und natürlich eine Kompression eingeleitet werden. Über die Situation des Patienten hatte mich vorher schon der behandelnde Arzt informiert (Dieser hat mir auch die Geschichte mit der KH Einweisung erzählt). Gemeinsam mit der Schwester des Pflegedienstes haben wir dann die Beine und den Großzeh versorgt. Ich besprach meine Empfehlungen mit dem behandelnden Arzt, anhand meiner Wunddokumentation und Bildern, der Pflegedienst würde die Wunden eine Woche lang versorgen, sowie die Kompressionsverbände anlegen.

    Nach einer Woche begutachtete ich wieder die Wunden, erstellte erneut eine Wunddokumentation, wo ich feststellen musste, dass keine Kompressionsverbände angelegt wurden und die Verbände nicht auf den Wunden verblieben waren. Der Mann hatte den Pflegedienst so unter Druck gesetzt, dass diese auf das Anlegen der Kompressionsverbände verzichtet hatten.Als ich dem Mann erklärte, dass die Kompressionsverbände wichtig wären, weil sonst seine Beine nie abheilen würden, sagte er mir allen Ernstes, der Hausarzt hätte gesagt, es wären keine Kompressionsverbände nötig. Wie bitte, ich hatte eine Woche vorher alles genau mit dem Arzt besprochen und jetzt das? Der Arzt untergräbt meine Autorität bei dem Patienten? Na, mein nächster Weg war natürlich zu dem Arzt. Ich legte meine Wunddokumentation vor und erlaubte mir zu fragen, wieso er diese Entscheidung denn getroffen hätte, vor allem, ohne mich zu informieren. Die Antwort hat mich fast vom Stuhl gehauen. Der Mann hatte dem Arzt erzählt, ich hätte gesagt, es wäre keine Kompression nötig. Somit war also klar, dass wir alle, Arzt, Pflegedienst und ich uns ganz eng abstimmen müssen, weil der Patient uns gegeneinander ausspielt.

    Es wurden Kompressionsverbände täglich besprochen und zu Anfang auch durchgeführt.Den ersten legte ich an, laut Auskunft des Patienten löste sich der aber bereits nach einer halben Stunde auf. Also habe ich die Kompressionsverbände mit einer Haftbinde fixiert, jetzt konnte er sie nicht mehr mit den Füßen abschubbern. Der Zeh war jetzt verbunden, der Hund kam also nicht mehr an die Wunden heran.

    Recht schnell bestand der Patient darauf, dass am Wochenende kein Besuch des Pflegedienstes mehr erfolgen sollte. Die Ehefrau weigert sich irgendetwas am Patienten zu machen, sie cremt ihm nicht mal die Beine oder Füße ein, was extrem wichtig wäre und gerade wenn der Patient liegt auch recht unproblematisch zu machen wäre. Nun ja, für den Pflegedienst sind die Einsätze dort der reinste Psychoterror, ich gehe einmal wöchentlich dort hin und streite mich dann mit dem Patienten, dass die Behandlung, deren Erfolg also eindeutig sichtbar ist, fortgeführt werden muss. Mindestens bis alles ganz abgeheilt ist.

    Die Krankenkasse, die mich ja in diesem Fall geschickt hat, erhält wöchentlich Information über den Fortgang der Heilung. Was der Krankenkasse gar nicht gefällt, ist, dass die Kompression nicht täglich durchgeführt wird, zumal eindeutig sichtbar ist, dass die Ulcera nach dem Wochenende schlechter aussehen, als Freitags, wenn einige Tage die Kompression durchgeführt wird. Also fand gestern ein Gespräch statt, an dem zwei Mitarbeiter der Krankenkasse, die Mitarbeiterin des Pflegedienstes, die Eheleute und ich teilnahmen. Die Krankenkasse machte deutlich, dass sie ihre Leistungen entziehen wird, wenn der Patient nicht mitarbeitet, bzw. die Kompression täglich zulässt oder wenn er weiterhin der Heilung entgegenarbeitet. Die Frau des Patienten bekam die Zusage, dass sie zusätzlich von der Krankenkasse 2 komplette Satz KOmpressionsbinden erhält, damit sie nicht so oft waschen muss. Dem Patienten wurde die Zusage abgerungen, dass der Pflegedienst bis zum Jahresende definitiv weiterhin täglich kommen muss. Bis dahin sollten die Ulcerationen abgeheilt sein und man könnte auf ein KOmpressionssystem umstellen, welches einige Tage am Bein verbleiben kann. Der Patient wünscht nicht mehr als zwei Besuche wöchentlich.

    Tja ... Was wird wohl werden. Hier läuft eigentlich die Zusammenarbeit zwischen allen Betreuenden hervorragend. Nicht mal die Krankenkasse schießt quer. Der einzige, der nicht mitarbeitet, ist der Patient. Sicherlich ist er dement, auch wenn man das aus seinem Reden nicht auf den ersten Blick erkennt. Die Ehefrau möchte eigentlich alleine sein, konnte sich aber nicht dagegen wehren, dass ihr Mann aus dem Heim zurückkam. Die beiden machen sich das Leben gegenseitig zur HÖlle. Einer hat mittlerweile vor dem anderen Angst. Wenn man die Wohnung betritt, spürt man die Spannungen, die dort herrschen. Nur ändern können werden wir das sicherlich nicht.

    Zu solchen Patienten fährt natürlich keiner gerne hin. Manchmal erfordert es dann auch sehr viel guten Willen, hier freundlich zu bleiben. Ich bewundere die Kolleginnen vom Pflegedienst. Es sind immer nur zwei Damen, die dahin fahren. Die eine macht den Job die ganze Woche, nur wenn sie mal frei hat, kommt eine zweite als Vertretung. Der Patient lässt keine weiteren Personen in die Wohnung. Ich weiß nicht, ob ich immer ruhig bleiben könnte, wenn ich da täglich hin müsste. Aber natürlich sind solche Leute dann beleidigt, wenn man ihnen die Wahrheit sagt. Man dreht die Wahrheit so, wie man es gerne hätte.

    So jetzt habe ich viel geschrieben. Ich bin sicher, dass die professionell Pflegenden hier, mich wenigstens teilweise verstehen. Ich wollte aber auch einfach mal bei den Leuten, die ihre Angehörigen selbst pflegen, bzw. mit Pflegediensten zu tun haben, etwas Verständnis wecken. Es wird so oft über die Pflege geschimpft. Wir leben in Zeiten des echten Pflegenotstandes und man erwartet immer, dass die Schwester alles aus Berufung macht. Wie, die möchte auch dafür angemessen bezahlt werden? Wie, die steht unter Zeitdruck? Ach und ein Privatleben möchte sie auch noch haben?

    Ich bin aus diesem Trott ein Stück weit raus, ich teile mir meine Arbeit selbst ein. Wenn ich weniger Termine einplane, verdiene ich halt weniger. Die Kollegen vom Pflegedienst haben diese Möglichkeit nicht, sie haben straffe Zeitvorgaben.

    Liebe Grüße und Danke fürs Lesen
    Beate

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