Das ist ja nichts neues, aber nun hat es meiner Meinung nach dem Fass den Boden ausgeschlagen. Ausschreibungen heißt das Zauberwort. Mit Blick auf eine klare und eindeutige Definition der im SGB V neu formulierten Schlüsselparagrafen hinsichtlich Ausschreibungs- und Vertrags-Prozedere wird die Versorgung von inkontinenten Patienten extrem eingeschränkt.
An dieser Stelle möchte ich einmal festhalten, dass das Tabuthema Inkontinenz in der Öffentlichkeit ungern diskutiert wird. Ein solches Thema und die damit verbundenen Probleme werden nur allzu gerne totgeschwiegen. Diese Tatsache kommt den Krankenkassen und dem Gesetzgeber zugute. Außerdem sind die meisten Patienten aus Altersgründen überhaupt nicht mehr in der Lage, sich gegen ein solches Vorgehen zu wehren.
Aber hier ein paar Fakten, die zum Nachdenken anregen sollen. Die Krankenkasse hat in der Vergangenheit eine monatliche Pauschale für Inkontinenzmittel gezahlt, die sich je nach Bundesland, zwischen 39,90 € und 26,00 € (je nach Bundesland) bewegt hat. Außerdem gab es die Möglichkeit über eine Verordnung (Rezept) diese Hilfsmittel zu beziehen.
Mit den Ausschreibungen suchen die Krankenkassen sich nun den billigsten Anbieter, der dann als alleiniger Lieferant zum Vertragspartner der Krankenkassen wird. Bis hierhin ist es für mich zwar nachvollziehbar, aber ich stelle mir die Frage, warum das Gesetz dann den verwirrenden Namen „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs“ trägt. Im Zeichen der freien Marktwirtschaft steht dieses Vorgehen für mich nicht. Kein freier Wettbewerb mehr, wo Service und Qualität ein wichtiges Kriterium darstellen. Der Patient bekommt, einfach gesagt, das Billigste.
Diese Tatsache für sich gesehen, ist ja schon traurig genug. Aber es geht ja noch weiter. In der Ausschreibung heißt es deutlich, dass nur eine Grundversorgung stattfindet. Drei Inkontinenzprodukte am Tag stehen dem Patienten zur Verfügung. Keine auf den Patienten abgestimmte Individualität mehr. Was ist bei Durchfallerkrankungen? Die Inkontinenten Patienten unterscheiden sich vehement von einander. Schon in der Vergangenheit wurden diese Patienten je nach Stärke der Inkontinenz in verschiedene Stufen eingeteilt. Heute ist es alles das Gleiche. Man nennt es Grundversorgung.
Es existieren Gesetze, wo ganz klar definiert ist, dass eine Versorgung, zum Wohle der Patienten, optimal zu erfolgen hat. Was soll also der Begriff Grundversorgung? Mit dieser Grundversorgung ist, lt. Aussagen von vielen Ärzten und pflegendem Personal, ein Dekubitus – Problem unabwendbar. Hierbei handelt es sich um wunde Stellen am Körper, die dadurch entstehen können, wenn man überwiegend im Bett liegt und nasse Inkontinenzprodukte am Körper hat. Liebe Krankenkassen, hierdurch entstehen neue Kosten. Oder zahlt Ihr diese Kosten künftig auch nicht mehr?
Wenn ich dann noch an die Alten- und Pflegeheime denke, wird mir vollkommen schwindelig.
Grundversorgung bedeutet auch nasse Betten. Dieses wiederum bedeutet mehr Wäschekosten.
Lt. Ausschreibung bekommt jeder Patient einmal im Quartal seine Inkontinenzprodukte zugesandt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden für ca. 100 Heimbewohner 100 Postpakete mit jeweils 270 Einmalwindeln bekommen. Können Sie sich vorstellen, wie groß ein Berg von 27.000 Einmalwindeln ist? Welches Heim hat diesen Lagerplatz? Außerdem muss das Pflegepersonal diese Produkte für jeden Heimbewohner zuordnen und kennzeichnen. Dieser Arbeitsaufwand liegt bei weitem über dem der vergangenen Jahre, da nun jede Krankenkasse einen anderen Vertragspartner hat, der ein anderes Produkt liefert.
Wer soll das alles bezahlen? Die Krankenkassen werden Millionen einsparen. Die Patienten werden schlechter versorgt und werden die entstandenen Mehrkosten auch noch tragen müssen.
Wenn ich nochmals von einem Politiker höre, dass wir in einem Sozialstaat leben, werde ich diese Partei aus meinem Gedächtnis streichen. Wenn man jetzt schon die Menschen mit Leistungskürzungen belegt, die sich nicht mehr wehren können, dann ist das Wort „Sozial“ für mich nicht zutreffend.
Und am Schluss noch eine kleine Randbemerkung. 120 Mio. € Inkontinenzmaterial stehen zur Ausschreibung. Künftig werden nur ein paar einzelne Lieferanten das Glück haben als Vertragspartner der Krankenkassen liefern zu dürfen. Was ist mit den anderen Lieferanten? Richtig!!! Sie werden in Konkurs gehen oder diesen Geschäftszweig schließen. Die Angestellten werden entlassen. Das nenne ich Aufschwung!
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