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Marcumar nach ½ Jahr absetzen?

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  • Marcumar nach ½ Jahr absetzen?

    Liebe Frau Dr. Schaaf,
    zunächst möchte ich mich bei Ihnen für diese liebevoll gepflegte Website bedanken. Auch wenn ich mich erst jetzt aktiv beteilige, habe ich hier schon viele Antworten auf meine unzähligen Fragen gefunden.
    Vor einem halben Jahr wurde bei mir eine ausgedehnte Mehretagenthrombose diagnostiziert (von den Venengruppen im linken Unterschenkel ausgehend bis zum unteren Drittel des Oberschenkels). Ich bin 47 Jahre alt, Nichtraucher, kein Übergewicht, sportlich, Vollzeit-Büro-Job, weiblich und habe bis dahin seit etwa 20 Jahren die Pille genommen. Die Thrombose trat spontan auf, anfangs war ich damit wohl auch joggen und wandern. Die Thormbophilie-Diagnostik ergab eine heterozygote Prothrombin (Faktor2)-Mutation, die das Thromboembolierisiko um das 2-3fache erhöht. Die Pilleneinnahme habe ich sofort beendet. Ich wurde auf Marcumar eingestellt (INR 2-3, benötige dafür allerdings 1,5 - 2 Tabletten je Tag) und trage einen Kompressionsstrumpf.
    Dank Ihrer Website war ich ermutigt, mich viel zu bewegen und konnte mein sportliches Niveau nach etwa einem ¼ Jahr wieder erreichen. Schwellungen im Bein hatte ich nie. Die erste Duplex-Sonografie-Kontrolle nach 3,5 Monaten zeigte eine sehr gute Rekanalisation mit lediglich postthrombotischen Residuen in der linken V. poplitea – hier offensichtlich aber auch ein (?) Klappenschaden mit einem Reflux bis zu 52 cm/s.
    Meine erste Frage ist, ob Sie mir empfehlen würden, die Marcumar-Therapie jetzt nach einem halben Jahr zu beenden (geplant war 1 Jahr). Die neuen Leitlinien lassen diesbezüglich wohl einen zeitlichen Spielraum offen. Auch soll das Rezidivrisiko mit längerer Marcumar-Einnahme nicht geringer werden.
    Der Grund für mein Drängen ist folgender: Mein Vater (73 J.) ist seit 8 Wochen nach einer spontanen Einblutung in den Spinalkanal (Höhe HWK7) als wohl seltene Nebenwirkung der Markumar-Therapie querschnittsgelähmt. Es ist wohl Schicksal, aber könnte nicht auch bei mir ein erhöhtes Risiko für spontane Blutungen vorliegen?
    Meine zweite Frage: Beim Wandern im Sommer ist der Kompressionsstrumpf nach dem ersten steilen Aufstieg ziemlich nass. Um einen Hitzestau zu vermeiden, habe ich es ohne Strumpf probiert und es lief super – keine Schwellung und ein sehr gelungener 14tägiger Wanderurlaub mit Strumpf-Pausen bei Bewegung. Jetzt hatte ich jedoch nach meinem ersten Joggen ohne Strumpf bei 26°C zwar keine Schwellung, aber in der Kniekehle ein komisches Druckgefühl, dass auch am Folgetag (wieder mit Strumpf) noch zu spüren war. Ob meine Venenklappen überlastet waren? Kann ich Schaden anrichten, wenn ich ohne Strumpf jogge? Was würden Sie mir diesbezüglich raten?
    Es grüßt Sie herzlich
    Lolo_p


  • Re: Marcumar nach ½ Jahr absetzen?


    Danke für das Lob.
    Ihre Fragen sind schwierig, vor allem, wenn man sie nach "Netiquette" neutral und allgemeingültig formulieren muss. Dennoch:

    Ihre TVT scheint gut verheilt zu sein, nachdem sie so wenig Schwellneigung haben. Wie aussagekräftig die 52 cm/s sind, weiß ich gar nicht. Ich versuche immer herauszufinden, wie lang die Strecke ist, auf der ein Reflux besteht , die Geschwindigkeit hab ich dabei noch nie gemessen. Wenn man weiß, welche Klappen nicht mehr schließen, kann man sich meines Erachtens ein besseres Bild von der Störung der Dynamik machen. Sicher scheint dem Befund nach zu sein, dass Klappen in der Kniekehle nicht mehr funktionieren, weiter oben müssten sie in Ordnung sein, weil hier ja nie eine TVT war und zu weiter unten, also US, gibt es keine Information. Das könnte man bei der nächsten Kontrolle aber erfragen.

    Funktionell scheint das Ergebnis gut zu sein, wenn man bedenkt, dass keine Schwellneigung besteht und Sie das wandern so gut vertragen haben.

    Dass Joggen nicht so gut hinhaut, liegt an der Art der Belastung. Zwischen wandern oder Walken einerseits und Joggen andererseites besteht ein Riesenunterschied: das Aufprallen. Nehmen Sie mal eine halb voll Wasserflasche und heben und senken sie sie auf den Tisch. Selbst wenn Sie das flott machen, schwappt es nicht in der Flasche. Ganz anders, wenn sie die Flasche kurz aufprallen und dann wieder heben. Die Dynamik im Venensystem ist also sehr viel weniger harmonisch beim Joggen.
    Entweder Sie versuchen Walken oder "Gehen" statt Joggen oder Sie tragen beim Joggen doch einen Strumpf. Es darf gern ein kurzer Strumpf mit hohem Baumwollanteil sein. Die sind für den Sport sehr angenehm. Auch die neuen frei käuflichen Sport-Kompressionsstrümpfe dürften den Zweck erfüllen.

    Was das Marcumar betrifft: Da streiten sich ja schon die Experten und ich fürchte, selbst wenn Sie sich in einer Gerinnungsambilanz untersuchen lassen, würden Sie von zwei Untersuchern auch zwei Meinung bekommen und letztlich läuft es darauf hinaus, dass Sie sich entscheiden müssen.

    Ihre Risikofaktoren:
    Durchgemachte TVT und
    Faktor 2-Mutation

    Welches Risiko gehen Sie ein?
    Erneute TVT, evtl. mit Lungenembolie, die tödlich verlaufen kann.
    Wie Sie schon wissen, kann das jeder Zeit aus heiterem Himmel passieren.

    Was schützt Sie?
    Ihre Kenntnisse, die Sie zur TVT und deren Vorbeugung erworben haben.
    Dass Sie nicht rauchen
    Dass Sie die Pille nicht mehr nehmen.

    Was ich abwägen würde:
    Im Falle einer TVT würde man mit Kompression und Antikoagulation therapieren.
    Je näher Sie einer solchen Therapie jetzt schon kommen, um so weniger brauchen Sie den Fall der Fälle zu fürchten. Im Klartext: Den Körper sehr sorgfältig befragen, wann er Kompression braucht. Lieber großzügig mit der Kompression sein. Auch sehr großzügig mit Heparinspritzen bei Grippe oder anderer Bettlägrigkeit etc umgehen. Gleiches gilt für Flugreisen, Busreisen, etc. Und wen es am Wochenende mal unerwartet zieht oder komisch ist, auch freizügig Heparin einsetzen, um dann rasch kontrollieren zu lassen.

    Die Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen und eine Beratung in einer Gerinnungsambulanz würde ich auf jeden Fall empfehlen. Meine Entscheidung (für mich!) würde ich dennoch meinem Bauch überlassen, denn - das sollten Sie auch wissen - die Erkenntnisse zur Gerinnungsdiagnostik im Zusammenhang mit TVT werden laufend aktualisiert. Das, was man Ihnen heute empfiehlt, mag in ein, zwei Jahren schon nicht mehr Stand der Dinge sein.

    Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.

    Dr. Schaaf

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    • Re: Marcumar nach ½ Jahr absetzen?


      Liebe Frau Dr. Schaaf,

      vielen, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort und die detaillierte Argumentation! Bezüglich der Marcumar-Therapie ist wohl so - es bleibt eine Bauchentscheidung.

      Herzliche Grüße
      Lolo_p

      Kommentar

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