Analgosedierung

[Lauren]

Hallo,

ich habe demnächst eine Op in Analgosedierung (durch einen Anästhesisten) bei meinem MKG.

Welche Medis finden denn hierbei üblicherweise Anwendung? Mir war bisher bekannt, dass ein Sedativum plus einem Analgeticum (sind dies übrigens Opioide?) verabreicht wird - nun habe ich mir den Aufklärungsbogen schon einmal durchgesehen, wo hierbei von drei Medis (neben derLokalanästhesie) gesprochen wird (allerdings nicht näher bezeichnet). Werden bei kieferchirurgischen Eingriffen auch bewusstseinsdämpfende Mittel eingesetzt (es handelt sich um eine Wurzelspitzenresektion in einem schwer zugänglichen Bereich)?

Wie kann man sich zudem den "Zustand" bei einer Analgosedierung vorstellen - ist unter bewusstseinsdämpfenden Medis noch eine Mitarbeit des Patienten möglich?

Ist der Zeitraum der Behandlung im Nachhinein ein "schwarzes Loch" oder kann man sich noch an irgendwelche Dinge während der Behandlung erinnern bzw. wie tief ist eigentlich der "Schlafzustand"? (meine letzte Vollnarkose war total super entspannend - ist es von der Schlaftiefe ähnlich?)

Aber zunächst einmal alles Gute für den neuen Forumbereich!

Viele Grüße und Danke,

Lauren.

[Prof. Weber]

RE: Analgosedierung


Liebe Lauren,
eine Analgosedierung beinhaltet 3 Eigenschaften:
1. Analgesie (Schmerzfreiheit)
2. Sedierung (Dämpfung, "Beruhigung")
3. Anxiolyse (Lösung der Angst)
Alle drei sind eng miteinander verbunden.
Zur Anwendung gelangen Pharmaka, welche die seEigenschaften besitzen. Darunter sind auch Opioide.
Entscheidend für die Analgosedierung ist, dass die Kombination nicht zum Verlust des Bewußtseins führt, ebenso bleiben die Schutzreflexe erhalten. Der Patient befindet sich also in einer Art Zwischenstadium zwischen Wachheit und Schlaf, in dem aber das Bewußtsein und die Reflexe noch existieren.
Daher kann er auch (zumindest einfache) Aufforderungen noch erfüllen.
Das Erinnerungsvermögen kann erhalten bleiben, fehlt aber manchmal auch für die Zeit des Eingriffs. Das hängt von den verwendeten Pharmaka, deren individueller Dosierung sowie natürlich vom konkreten Patienten ab. Fehlt die Erinnerung, bedeutet das aber trotzdem nicht, dass der Patient nicht wach war!
Diesen Zustand der Erinnerungslücke zu erleben, obwohl man sich während der ganzen Zeit mit dem Patienten unterhalten hat, ist schon beeindruckend!
Im Gegensatz zur Analgosedierung ist die Narkose u. a. durch den kompletten Bewußtseinsverlust gekennzeichnet. Natürlich gibt es fließende Übergänge - und diese einerseits auszunutzen, andererseits aber genau dort zu "landen", wo man hin will (eben nicht zu tief, aber auch nicht zu flach), das ist eben die Kunst des Anästhesisten.
Danke für die guten Wünsche!
Herzlich
cfw

[Lauren]

Zusatzfrage


Hallo Herr Prof. Weber,

vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort!

Da finde ich es ja schon beruhigend, dass man sich mit seinem Anästhesisten während eines kieferchirurgischen Eingriffs immerhin nicht unterhalten kann ;-) Der witzige Part bleibt aber trotzdem erhalten, da ich alle irgendwie gearteten "Aufweckversuche" nach einer Narkose gar nicht lustig finde - da gab's schon einiges zu lachen!

Noch eine Zusatzfrage: hat eine Analgosedierung auch immunsupressive Eigenschaften? Die Frage rührt daher, dass ich eine bisher ungeklärte Leukopenie (ca. 2.5 tsd)habe und doch recht infektanfällig bin. Reichen in diesem Fall Antibiotika prä-operativ aus bzw. wie lange sollte man diese dann nehmen?

Wie steht es eigentlich mit Geruchs- und Geschmackssinn während der Analgosedierung (Bewusstsein und daher auch Sinne vorhanden?)? Geruch und Geschmack sind bei Kiefersachen ja nicht gerade klasse ....

Gruß, Lauren.

[Prof. Weber]

RE: Zusatzfrage


Hallo, Lauren,
Ihre Unterhaltung mit dem Anästhesisten wird natürlich während der Analgosedierung auch bei erhaltenem Bewußtsein bei laufendem kieferchirurgischem Eingriff begrenzt sein: Mit vollem Munde spricht man nicht. Hab ich mal gelernt... ;-)
Immunsuppression: Im Gegensatz zu einigen Narkoseverfahren (insbesondere Inhalationsnarkose; klassisches Beispiel wäre das anästhesiologische "Urgestein" Halothan), unter denen die Immun-S. sehr stark ist, wird das wohl im Rahmen der Analgosedierung und örtlichen Schmerzausschaltung kaum auftreten.
Überhaupt sind die Auswirkungen auf den GESAMT-Organismus hier deutlich geringer, da Zielort nur ein Teil bzw. eine Region ist. Hinzu kommt die kurze pharmakologische Wirkung der verwendeten Medikamente, die teilweise im Minutenbereich liegt - daher oft die Anwendung kontinuierlicher Applikationsverfahren über Pumpensysteme.
Über den Einsatz von Antibiotika im Sinne einer "Prophylaxe" bzw. eines "Schutzes" möchte ich hier nicht spekulieren und bitte Sie um Ihr Verständnis. Das soll besser zwischen Ihrem Operateur und dem Anästhesiologen gemeinsam mit Ihnen abgewogen werden - die kennen Sie ja auch viel besser als ich.
Mißempfindungen hinsichtlich Geruch oder Geschmack lassen sich bei erhaltenem Bewußtsein nicht ausschließen; werden aber auch durch die Lokalanästhesie vermindert. Das werden Sie dann merken, wenn es so weit ist; aber immerhin haben Sie ja die reale Chance, das wieder zu vergessen... Damit habe ich doch elegant den Bogen zu Teil 1 geschlossen ;-)?
Herzlich
cfw

[Lauren]

Lob ;-)


Guten Morgen!

zugegeben, das war sehr elegant ;-) und erinnert mich doch so ganz dunkel an die "hermeneutische Spirale" - das bessere Verstehen der Einzelteile korrigiert tatsächlich ständig das Verständnis für das Ganze (nur das die Erkenntnis durch das bevorstehende Erlebnis des Vergessens quasi selbstlimitierend ist ... welch Abgründe sich in der Anästhesie auftun ;-)

Alles Gute, Lauren